30 Porträts: Licht trifft Linse - Anja Liekfeld und der Studiengang Augenoptik/Optische Gerätetechnik

Im Schnittfeld zwischen Gerätetechnik, Medizininformatik und Augenheilkunde finden Fachleute der Augenoptik und Optometrie ein breites Tätigkeitsfeld mit guter Perspektive. Vor allem die Medizin ist zunehmend auf das technische Knowhow angewiesen, weiß Prof. Dr. Anja Liekfeld.

Prof. Dr. Anja Liekfeld ist Chefärztin der Augenklinik im Ernst von Bergmann Klinikum gGmbH in Potsdam und Honorarprofessorin an der THB. Fotos: Oliver Karaschewski

Es ist ein kleiner, aber feiner Bachelor-Studiengang an der Technischen Hochschule Brandenburg: Knapp zwanzig Studierende schreiben sich jeweils zum Wintersemester im Fach Augenoptik/Optische Gerätetechnik ein. Die kleinen Gruppen bilden die Basis für ein kollegiales, freundschaftliches Miteinander und familiären Teamgeist. „Der Betreuungsschlüssel ist bei so wenigen Studierenden natürlich sehr gut. Auch unser Studiendekan Prof. Dr. Justus Eichstädt ist extrem engagiert“, lobt Prof. Dr. Anja Liekfeld. „Aber die gute Seele des Studiengangs ist sicher unsere akademische Mitarbeiterin Luise Arndt. Sie hat einen ganz persönlichen Draht zu jedem Studierenden.“ Anja Liekfeld ist Honorarprofessorin an der THB und zugleich Chefärztin der Augenklinik in der Ernst von Bergmann Klinikum gGmbH in Potsdam.

Ein kleines rundes Wunder: unser Fenster zur Welt

Noch sehr viel kleiner als der Studiengang ist das „Corpus delicti“, um das sich dabei letztlich alles dreht: Gerade einmal 24 Millimeter misst das menschliche Auge im Durchmesser. Es ist das am intensivsten erforschte Sinnessystem und hält gut ein Viertel unseres gesamten Gehirns beschäftigt. Einige Forscher vermuten, dass sogar der überwiegende Teil unseres Gehirns primär oder sekundär mit den Augen verbunden sein könnte. Allein die unzähligen Referenzen auf das Sehen, die unseren Wortschatz bereichern, sprechen eine beredte Sprache.

Auch Prof. Dr. Anja Liekfeld befasst sich seit über drei Jahrzehnten mit diesem kleinen Kosmos zwischen Hornhaut und Sehnerv. Als Tochter eines Apothekers und einer Künstlerin in Mülheim an der Ruhr geboren, studierte sie Medizin erst in Essen, später in Berlin. Nach Stationen am Weddinger Virchow-Klinikum und der Charité kam sie Anfang 2009 in die Landeshauptstadt Potsdam. Sie ist Chefärztin der Augenklinik am Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann. Eines ihrer Spezialgebiete liegt in der refraktiven Chirurgie von Hornhaut und Linse. Refraktive Chirurgie betrifft Augen-OPs, die Brillen oder Kontaktlinsen ersetzen können, und damit einen Anwendungsbereich von allerlei technischen Apparaturen.

Optometrie an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine

Die moderne Augenheilkunde wäre ohne computergestützte Präzisionstools kaum denkbar. „Das Fachgebiet ist sehr gerätelastig, das fängt schon beim Vermessen an“, sagt Prof. Liekfeld. Passé sind die Zeiten, als die Augen nur mit dem Augenspiegel untersucht wurden. „Man muss die vielen komplexen Maschinen und Geräte, die wir heute verwenden, aber auch verstehen und verbessern“, so die Ophthalmologin – ein Bereich der Medizin, der sich mit Erkrankungen der Augen befasst. „Wir Medizinerinnen und Mediziner benötigen mehr und mehr Fachleute, die uns technisch unterstützen.“ Diese Schnittstelle zwischen Handwerk und Augenheilkunde bildet die Optometrie.

Die Kombination aus dem breiten Spektrum an MINT-Fachleuten, der Nähe zum Optikstandort Rathenow, aber auch zu Kliniken in Potsdam und Berlin macht den Studiengang in Brandenburg an der Havel deshalb sehr attraktiv. Ganze 13 Unternehmen aus der optischen Industrie, Fachgeschäfte und klinische Einrichtungen kooperieren mit der THB in diesem Studiengang. Neben dem Bachelor-Abschluss ist auch der Augenoptiker-Meisterabschluss der Handwerkskammer möglich.

Vielfältiges Arbeitsfeld in der Optometrie und Gerätetechnik

Folglich erstrecken sich die Einsatzmöglichkeiten für die Absolventinnen und Absolventen weit über das klassische Brillengeschäft hinaus. „Man kann im Fachgeschäft arbeiten, in der Industrie oder auch in der Klinik“, weiß Prof. Dr. Anja Liekfeld. „Bei mir am Klinikum arbeiten inzwischen 13 Optometristinnen und Optometristen – genauso viele wie Augenärztinnen und Augenärzte.“ Sie entlasten nicht nur das medizinische Personal, sondern assistieren sogar im OP-Saal, in der Ambulanz und führen klinische Studien durch.

Dass sich Anja Liekfeld Anfang der 1990er-Jahre der Augenheilkunde zuwandte, war eher Zufall und erwuchs aus ihrem während der Doktorarbeit geweckten Interesse am Thema. „Im Nachhinein fand ich das Gesicht und vor allem das Auge aber bereits im Präparier-Kurs beim Sezieren am interessantesten“, erinnert sie sich. Heute würde man sagen: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, denn auch ihr Großvater, ihre Tante und sogar eine Cousine von Prof. Dr. Anja Liekfeld sind und waren: Augenärztinnen und -ärzte. „Das muss in unserer Familie irgendwie genetisch veranlagt sein“, sagt sie und lacht.

Wissen wirkt: Wie technisches Knowhow die Augenheilkunde voranbringt

Aus Sicht von Prof. Dr. Anja Liekfeld kann die THB nicht nur in der Ausbildung und Forschung, sondern auch in der Entwicklung optischer Geräte eine Rolle spielen. „Wir erforschen beispielsweise im Klinikum die Lasermethode zur Behandlung von grauem Star und werten dazu klinische Daten aus“, sagt die 55-Jährige. „Daran wirken auch Studierende der THB mit.“

Speziell wenn es um die Bewertung der Messgenauigkeit verschiedener Geräte geht, seien Kliniken als potenzielle Käuferinnen dieser kostspieligen Instrumente auf technisches Knowhow angewiesen. Perspektivisch sieht die Expertin einzelne Schritte in der Operation des grauen Stars sogar geeignet für eine teilweise Automatisierung, um den standardisierten Eingriff irgendwann von der ärztlichen „Handarbeit“ zu entkoppeln.

Intensive Arbeit am Menschen im Dienste der Medizin

Sinn und Zweck der teuren Mikroskope und komplexen Computersoftware in der Augenheilkunde – und letztlich auch des Studiengangs an der THB – ist der Erhalt oder die Wiederherstellung der Augengesundheit und Sehkraft von Menschen. Menschen, denen nicht immer, aber doch sehr häufig geholfen werden kann.

Wenn es um das Augenlicht als das vorrangige Fenster zur Welt geht, kann das aus Sicht der Betroffenen ein echtes Geschenk sein. „Ich erlebe viel Dankbarkeit“, berichtet die Berlinerin. „Es gibt mitunter sogar Patientinnen und Patienten, die trotz aller Bemühungen erblinden – und dennoch für die medizinische Betreuung und den Beistand dankbar sind.“

Dabei ist es nicht nur der wachsende Bevölkerungsteil im letzten Lebensdrittel, der mit Augenleiden zu kämpfen hat. Auch bei jungen Menschen nehmen Augenerkrankungen wie zum Beispiel Kurzsichtigkeit stetig zu. Damit rückt neben der Therapeutik auch das Thema Prävention in den Fokus der Optometrie. „Beispielsweise gibt es inzwischen spezielle Optiken, mit denen versucht wird, die Kurzsichtigkeitsentwicklung schon im Kindesalter hinauszuzögern.“

Augen auf: Für mehr Frauen am OP-Tisch

Anja Liekfeld ist nicht nur Ärztin und Professorin, sondern auch Vorsitzende des Prüfungsausschusses Augenheilkunde der Landesärztekammer Brandenburg, Mit-Herausgeberin der Karger Kompass Ophthalmologie, Trainerin für refraktive Chirurgie und Vorstandsmitglied eines von ihr gegründeten Vereins. Mit „Die Augenchirurginnen e. V.“ will sie Frauen im chirurgischen Bereichen fördern. Wie die alleinerziehende Mutter von drei Kindern weiß, erleiden Ärztinnen vor allem in der männerdominierten Chirurgie einen Karriereknick, sobald eine Mutterschaft ins Haus steht. „Gleichzeitig ist die refraktive Augenchirurgie der Bereich, in dem das meiste Geld verdient wird“, sagt Prof. Dr. Anja Liekfeld. „Da müssten dringend mehr Frauen arbeiten, schon allein weil mindestens 50 Prozent der Medizinstudierenden weiblich sind.“